Welche Persönlichkeit hat ihr Hund?

Interview mit unserem Autor Dr. Birmelin

Dr. Immanuel Birmelin

Macho oder Mimose? Wie entsteht die Persönlichkeit eines Hundes? Der bekannte Verhaltensforscher Dr. Immanuel Birmelin ist dieser Frage nachgegangen. Schon als junger Mensch erkannte er, dass jeder Hund eine eigene Persönlichkeit hat.
In seinem neuen Buch „Macho oder Mimose“ verbindet er Erzählungen aus seinem Leben mit den Vierbeinern mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen

Herr Dr. Birmelin, Ihren ersten Hund (einen Chow Chow) bekamen Sie, als Sie noch nicht einmal zur Schule gingen. Hat dieser Hund Ihre Leidenschaft geweckt, das Wesen und Verhalten von Tieren zu erforschen?

Ich habe zu meinem ersten Hund eine große innere Bindung aufgebaut. Dieser hat mich beschützt und mir in manch schwierigen Situationen die Angst genommen. Da ich noch sehr jung war, habe ich eher eine emotionale Beziehung zu meinem ersten Hund aufgebaut, weniger eine beobachtende oder groß reflektierte. Mein Interesse für Tiere war schon immer da, allerdings hat mein erster Chow Chow diese Faszination noch bereichert.

Chow Chows sagt man ja nach, dass sie eher ruhige und zurückhaltende Hunde sind. Was halten Sie von derartigen „Rasse-Zuschreibungen“?
Bestimmte Rassezuschreibungen sind nicht vollkommen falsch. Man kann schon sagen, dass Chow Chows eher zurückhaltend sind. Allerdings sind diese Rassemuster nur sehr oberflächlich zutreffend und nicht unter allen Umständen zutreffend.

Sie haben Biologie und Chemie studiert und anschließend in der Schweiz zum Thema Verhaltensforschung promoviert. Würden Sie sagen, dass man ein bestimmtes (angeborenes) Talent benötigt, um in diesem Bereich erfolgreich und hilfreich tätig zu sein?
Eine gewisse Begabung ist sicherlich nötig, ganz ohne geht es nicht. Das tolle an der Naturwissenschaft ist das experimentelle Erfahren. Heute gibt es die verschiedensten Theorien zum Verhalten von Tieren. Mit naturwissenschaftlichen Tests kann man allerdings echte Beweise bringen. So kann beispielsweise gezeigt werden, dass Hunde ein Bewusstsein haben.

Dieses Thema wird auch in Ihrem neuen Buch „Macho oder Mimose“ behandelt. In einem Kapitel wird von Ihnen thematisiert, wie die Persönlichkeit des Hundes entsteht. Mit Tests kann der Leser herausfinden, welche Persönlichkeit sein eigener Hund hat. Sind Sie der Überzeugung, dass Hunde ein Bewusstsein haben, ja sogar denken können.
Ja und ja! Hunde können eindeutig denken und haben auch ein Bewusstsein. Ein Hund weiß um seine eigenen Handlungen. Dies wird in „Macho oder Mimose“ auch bewiesen. Auf Seite 212 wird gezeigt, wie der Hund den Spiegel als Werkzeug benutzen kann. Er versteht bei diesem Experiment, dass eine Lichtreflektion im Spiegel zu sehen ist und kommt so nach einigen Anläufen an sein Futter.

Intelligenztests, Persönlichkeitstests, Lernübungen, das Bewusstsein des Hundes sowie Umwelteinflüsse auf den Hund werden in ihrem Buch „Macho oder Mimose“ thematisiert. Warum ist es so wichtig, seinen Hund individuell und nicht rassenspezifisch zu behandeln?
Man kann einen Hund nicht nur auf die gewonnenen Erfahrungen mit den Tests reduzieren. Die Tests in meinem Buch müssen natürlich immer als Orientierungshilfe zur Persönlichkeit des Hundes verstanden werden. Trotzdem können die Tests helfen, den eigenen Hund besser zu verstehen. Um einen Hund gerecht zu behandeln, muss man ihn kennen. Meine beiden Bernhardiner (der eine ist leider kürzlich verstorben) hatten beispielsweise auch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Während die Hündin es liebte, unter vielen Menschen zu sein, zieht sich der Rüde lieber zurück. Hier erkennt man ganz deutlich: Es handelt sich um die gleiche Rasse, aber um zwei unterschiedliche Persönlichkeiten.

Ihr Leitspruch lautet, dass der Hund zwar gut erzogen sein sollte, aber trotzdem seine Persönlichkeit entfalten können muss. Ist das die Kernbotschaft des Buches, die Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?
Sie bringen es auf den Punkt! Meiner Ansicht nach sind gewisse Freiheitsgrade sehr wichtig für den Hund. Wenn der Hund durstig ist, soll er trinken. Wenn er schlafen will, soll er schlafen. Wenn es um Grundbedürfnisse geht, würde ich dem Hund keine Befehle, die ihn davon abhalten, beibringen. Sicher muss er auf gewisse Kommandos hören. Trotzdem muss man auf die Persönlichkeit, die Stärken und die Schwächen des Hundes Rücksicht nehmen. Nur so kann ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Tier ermöglicht werden.