ÜberLeben: Was macht unsere Seele stark?

Lars Langenau gibt Antworten auf existenzielle Fragen: Wie geht Überlebenskunst?

Erschütternde Diagnosen, schmerzhafte Trennungen, Scheitern an eigenen Ansprüchen oder wegen traumatischer Erlebnisse, Gewalt, Sucht, Verluste… Schicksalsschläge können uns binnen eines Wimpernschlags den Boden unter den Füßen wegziehen, das Leben zur Hölle auf Erden machen. Wenn alles aus den Bahnen gerät, wenn Trauer, Angst, Scham und Schmerz hilflos machen, brechen viele zusammen. Doch warum kommen manche Menschen selbst mit den schwersten Katastrophen klar? Woher beziehen sie, die am Abgrund stehen, neue Kraft?

Resilienz lautet das Zauberwort: innere Stärke oder auch Überlebenskunst. Lars Langenau, Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, hat das Phänomen untersucht und mit Menschen gesprochen, die vom Leben gebeutelt wurden. Herausgekommen ist „ÜberLeben“, eine Sammlung ganz unterschiedlicher Geschichten. Eins jedoch ist allen Personen gemeinsam, die in diesem außergewöhnlichen Buch zu Wort kommen: Sie sind nicht nur irgendwie zurechtgekommen, sondern an der Herausforderung oft sogar noch gewachsen.

Einblick in die Vielfalt seelischer Stärke

Eine Mutter, die ihr Baby im achten Monat der Schwangerschaft verliert, das ehemalige It-Girl Sara Schätzl, die Opfer ihrer Bulimie war, ein Paar, das ein Jahr in der Gewalt von Islamisten um sein Leben zittern musste, chronisch Kranke… Sie alle haben sich Langenau schonungslos offen anvertraut. Sie erzählen, wie sie von Trauer und Wut übermannt wurden und daran zu zerbrechen drohten – und wie sie auf ihren ganz persönlichen Wegen doch wieder frischen Lebensmut schöpfen konnten. Darunter sind auch Prominente, zum Beispiel „Ulknudel“ Ingrid Steeger aus der 70er Jahre Kult-Comedy „Klimbim“, die jetzt öffentlich macht, dass sie über viele Jahre missbraucht wurde. Oder der Musiker Konstantin Wecker, der vom Hinfallen und Wiederaufstehen berichtet.

Alle 28 Protokolle sind erstmals in Langenaus Kolumne in der SZ und auf SZ-Online erschienen. Der Autor lässt den Erzählenden ihre individuelle Stimme, ihren eigenen Ton, er korrigiert und interpretiert nicht. So entsteht ein um so bewegenderes, oft auch bedrückendes, aber am Ende immer Mut machendes Bild der Unabwägbarkeiten des Lebens. Für die Fassung im Buch hat Lars Langenau nochmals Kontakt zu seinen Gesprächspartnern aufgenommen und die Protokolle aktualisiert. Jedes Schicksal ist anders, und  Langenau gelingt es auf beeindruckende Weise, dies einzufangen und uns einen Einblick in die Vielfalt seelischer Stärke zu geben.

Was bringt der Blick in solche Abgründe? Die Geschichten in „ÜberLeben“ rufen unweigerlich Erinnerungen an eigene Krisen und Verletzungen wach. Und das ist heilsam. Denn nicht das Verdrängen, sondern das Hinsehen und die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte lässt innere Kräfte wachsen. Für alle, die Hilfe in persönlichen Konflikten suchen, bietet „ÜberLeben“ auch einen Überblick über weiterführende Bücher, Adressen und Links.

„Ein Zeugnis von der Liebe zum Leben…“

Lars Langenau fasziniert das Phänomen, wie in Krisen Kräfte wachsen. Um es mit den Worten des Autors zu sagen, ein Auszug aus dem Vorwort von „ÜberLeben“:

Langenau

„Ich sehe hinab. Seit drei Jahren rede ich mit Menschen über ihre Brüche, ihre Schicksale, über tiefe emotionale Krisen und wie sie diese überwunden haben. Bei manchen ist dabei die schiere Abwesenheit von Unglück schon ein großes Glück. Es ist dabei ein Buch entstanden, das zwar Einblick in menschliche Tragödien gestattet, aber zugleich Zeugnis gibt von der Kraft der Überlebenden, ihrer Haltung, ihrer Liebe zum Leben und bisweilen ihres Humors.

In diesem Buch finden Sie Geschichten von Menschen, die ihre Wunden zeigen, und wie sie für sich Heilung gefunden habe, indem sie ihren Weg weitergehen – zwar beschädigt, aber dennoch gestärkt und oft um Facetten ihrer Persönlichkeit bereichert, die sich erst in der Krise entwickeln durften.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
Ich glaube fest daran, dass man durch Konfrontation mit seinen Traumatisierungen wachsen, gesunden und seinen Seelenfrieden finden kann.“

Über Lars Langenau

Der 1969 in Hannover geborene Lehrer für Geschichte, Politik und evangelische Theologie ist Redakteur bei sueddeutsche.de. Nach dem Studium in Frankfurt am Main absolvierte Langenau ein Volontariat bei der „Süddeutschen Zeitung“ und ging im Anschluss nach Hamburg. Nach vier Jahren im Politikressort von „Spiegel Online“ und einem Zwischenstopp im Kieler Bildungsministerium kehrte er wieder nach München zur SZ zurück.